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Citymaut, die Volksbefragung und die grüne Position

Sorry, es wird wiedereinmal länger.
Das Thema ist wichtig, und Politik geht gelegentlich komplizierte Wege.
Im Fernsehn mit seinen 12 Sekunden tät ich mir jetzt sehr schwer mit der Argumentation.
Einmal mehr: Welch eine Wohltat, einen blog zu haben.

Der Reihe nach

1.) DIESE Form der Volksbefragung ist ein ganz übler Mißbrauch eines wichtigen Instruments. Es müßte ein absolutes Tabu sein, eindeutig manipulative Fragen zu stellen.

So lautet die von der SPÖ formulierte Fragestellung:

Einige Großstädte (z.B. London, Stockholm) haben zur Bewältigung des innerstädtischen Verkehrs eine Einfahrtsgebühr für das Stadtzentrum eingeführt (Citymaut). In Wien konnte durch die Verkehrspolitik (Ausbau öffentlicher Verkehr, Parkraumbewirtschaftung, Wohnsammelgaragen, Ausbau Radwegenetz) in den letzten Jahren der Autoverkehr in der Stadt deutlich reduziert werden.
Soll in Wien eine Citymaut eingeführt werden?



2.) Ebenso müßte es ein Tabu sein, völlig unklare Fragen zu stellen.
Man verzeihe mir an dieser Stelle die Polemik.
“Sind Sie dafür, daß ihnen etwas abgeschnitten wird?”
Sie würden gerne mit Ja stimmen, wenn die Haare gemeint sind.
Aber den Fuß?
Rückfrage: “Also was ist gemeint?” Antwort der SPÖ: “Das werden wir nachher sehn!”
Da können Sie nur “Nein” sagen.

3.) Es gibt nicht DIE Citymaut.
Klug und maßgeschneidert eingesetzt, ist sie EIN sehr wichtiges Instrument zur Umgestaltung des städtischen Verkehrs.
Dumm eingesetzt wirkt sie wie jede falsche Therapie: Kontraproduktiv.

4.) Wie müßte eine maßgeschneiderte Citymaut für Wien aussehen?
Dazu muß man die Frage beantworten, wo die Hauptprobleme liegen.
Diese liegen eben nicht innerhalb des ersten Bezirks, und auch nicht primär innerhalb des Gürtels.
Hier nimmt der Autoverkehr in den letzten Jahren leicht ab, aus dreierlei Gründen:
a) Immer mehr Menschen fahren mit dem Rad
b) dichtes (und in den letzen jahren gewachsenes) U-bahn- und Strassenbahnnetz
c) Abwanderung von Büroraum (d.h. von Menschen)

Nein, die großen Verkehrsprobleme (anders als z.B. in London) haben wir in den Außenbereichen der Stadt.
Hier wächst der Autoverkehr dramatisch.
Einerseits durch die Pendler, die anders als die Wiener in überwiegender Mehrheit mit den Autos kommen.
Andererseits durch Wiener, die ins Umland fahern (z.B. in neuerrichtete shopping Centers, oder in Bürokomplexa an Autobanhnknoten)
Deswegen müßte eine kluge Citymaut hier ansetzen

5.) Daraus ergibt sich das Grüne Modell: An den rund 60 Stadteinfahrten sollte die Citymaut entrichtet werden. Technisch könnte dazu relativ einfach die LKWmaut-technologie verwendet werden.
Der Tarif müßte zeitlich gestaffelt sein (und könnte in der Nacht,wenn es keinen öffentlichen Verkehr gibt ganz entfallen, dafür am Samstag vormittag, wenn abertausende Wiener die Stadt verlassen, um mit dem Auto im Outletcenter auf der Grünen Wiese einzukaufen, und somit die urbane Nahversorgung schädigen, entsprechend hoch sein

6.) Deswegen hat Hermann Knoflacher auch recht, wenn er die von der SPÖ vorgeschlagenen Citymaut (wahrscheinlich Ring oder Gürtel) ablehnt. Denn ihre langfristige Auswirkung auf die Stadtentwicklung ist entscheidend. Wenn es billiger scheint (und sei es auch nur mental) ins Umland einkaufen zu fahren, statt in die Stadt, dann ist das grundfalsch.

7.) Eine Citymaut im Stadtrandbereich hätte einen weiteren gewaltigen Vorteil, vor allem auf lange Sicht. Vor die Frage gestellt, ob man ins Umland, ins “Grüne” ziehen soll, oder innerhalb der Stadt bleiben soll, gewinntz zweiteres weiter an Attraktivität.
Die Zersiedelung, die fast zwangsläufig Autoverkehr mit sich bringen muß (einkaufen, Kinder in die Schule bringen, Arbeiten, Freunde besuchen,...) weil diese dünne Besiedelung aus schlicht mathematischen Gründen keinen attraktiven öffentlichen Verkehr ermöglicht, von den sonstigen Auswirkungen (enormer Flächenverbrauch, hohe Infrastrukturkosten) einmal abgesehn, könnte damit wirksam gebremst werden

8.) Schlau wäre es gewesen, in einem längerfristigen rund zweijährigen Prozeß mit Wissenschaftlern, Raumplanern, Politikern und der Bevölkerung eines oder auch mehrere maßgeschneiderte Citymautlösungen zu erarbeiten, zu diskutieren, abzuwägen, und Schlüsse daraus zu ziehen, und dann zu einem Wiener Modell zu kommen

9,) Noch schlauer wäre es gewesen, wie in Stockholm dieses Modell dann in Betrieb zu nehmen, um dann, nach wieder ein bis zwei Jahren, dann wenn man weiss, wie es funktioniert darüber eine Volksbefragung durchzuführen. In Stockholm war vor Einführung (da gabs die widersprüchlichsten Fantasien, was das wohl werden könnte) die Mehrheit dagegen, nachdem es in Betrieb war, gab es bei einer Volksabstimmung eine Mehrheit dafür

10.) Eine Volksbefragung ist ein sehr wichtiges Instrument der direkten Demokratie. Diese Art der mangelnden Vorbereitung, der völlig unklaren und v.a. manipulativen Fragestellung wird, leider, dieses Instrument beschädigen.
Was empfehle ich?
Nach langem Nachdenken: Ich werde nicht hingehen.
Jede/r möge selbst entscheiden, wie er für sich entscheidet.
Aber weder kann ich einer völlig falschen, kontraproduktiven Ausgestaltung der Citymaut (Ring) ein Ja erteilen, noch guten Herzen gemeinsam mit dem ÖAMTC und den Autokadern der SPÖ mit Nein stimmen.
ich will und werde weiter für eine schlaue Citymaut argumentieren und werben.
Je geringer die Beteiligung bei dieser rein parteipolitisch motivierten Farcebefragung, desto geringer ihre Legitimität.

more arguments to come
bin sehr gespannt auf Eure Meinungen

Edit: Hier unser Citymautmodell genauer

Wenn schon, denn schon, weil aufjaulen werden sie jedenfalls

Für eine wirklich grosse Reform:
Weg mit den Bundesländern!
Meine aktuelle Pressekolumne

Manchmal wünscht man sich in der Politik den berühmten Hieb, der den gordischen Knoten durchschlägt. Und selten, ganz selten läßt sich die schlichte Chuzpe eines Alexander, der ihn einfach mit dem Schwert durchhauen hat, sprichwörtlich auf ein großes verworrenes, ungemein teures Problem anwenden:
Den österreichischen Förderalismus.
Wenn zwei voll ausgerüstete Spitäler wenige Kilometer nebeneinander errichtet und betrieben werden, dann heißt das Föderalismus.
Wenn Bundesländer sogenannte Landeslehrer vom Bund bestellen, und dem Bund gleich die Rechnung zum Zahlen überlassen, ebenso.
Teuer und unsinnig ist ebenso, sich neunmal unterschiedliche Jugendschutzgesetze zu leisten, wo Minderjährige im einen Bundesland um Mitternacht, in anderen deutlich früher zu Hause sein müssen.
Ähnliche Logik durchzieht neun Bauordnungen, wo jeweils unterschiedlich, um nur ein herausrtagendes Beispiel zu nennen, die Stiegenhöhen geregelt sind.
Beispiel ORF. Wo gibt es eigentlich ein westliches Land, indem sich “Landesfürsten” gesetzlich finanziertes Propagandafernsehn leisten; gezählte neun Mal einem Land, das nach Einwohnerzahl und Wirtschaftskraft deutlich kleiner als das deutsche Bundeslander Bayern ist
Nun ist eines klar: Schon die kleinste Kompetenzbereinigung, vom Spitals- bis zum Schulwesen wird allseits zwar für unbedingt notwendig gehalten, bloß: keiner glaubt daran, denn da sind sich die Landeshauptleute ob rot, schwarz oder orange/blau einig: Njet.
Drum sei hier ernsthaft folgende Strategie zurt Diskussion gestellt. Schreien werden sie auf jedenfall. Und all ihre Verhinderungsmacht schon beim kleinsten Reformschritt einsetzen.
Dann gehen wir doch gleich aufs Ganze und treten in die Fußstapfen Alexanders: Ganz weg mit den Bundesländern. Drei Verwaltungseinheiten sind ausreichend: Gemeinden fürs so wichtige Kommunale und für die lokale Identität, dann die nationalstaatliche Ebene, dann die EU.
Demnächst wird es einen wichtigen Anlaß geben: Die öffentlichen Hände werden sparen müssen. Also einfach weg mit der Verschwendungsebene Bundesland. Unsere Schulen und Spitäler, der Wohnbau und die Sozialversicherungen, der Tierschutz und die Verkehrsstrafen, das kann wunderbar der Bund regeln.
Mit den vielen Millarden, welche das einspart, leisten wir uns endlich jene Bildungs- Universitäts- und Forschungsinvestitionen, die wir so dringend brauchen.
Ja, die Landeshäutptlinge werden laut aufjaulen. Wer den Mut hat, solches zu entscheiden? Wie wärs bei dieser wirkliche großen Weichenstellung mit einer Volksabstimmung?

Gemeinsam Bauen-gemeinsam Wohnen in Wien

Heute wieder einmal ein längeres Posting.
Über eine Idee, die sehr viel Potential hat.
Von der ich schon länger finde, daß sie im größeren Maßstab in Wien umgesetzt gehört, weil sie so bestechend ist.
Jetzt kommt sie nicht nur, sondern ich habe sogar die Möglichkeit sie selbst operativ umzusetzen.
Der Reihe nach.
1.) Die Idee.
Die Sargfabrik ist ein Beispiel. Die autofreie Siedlung irgendwie auch ein anderes.
Menschen beschliessen, miteinander zu bauen, um dann selbstbestimmter als irgendwo “anonym” mit anderen Menschen, die sie kennen und schätzen zusammen zu wohnen.
Jeder in seiner eigenen Wohnung zwar, aber mit einer unmittelbaren Nachbarschaft, die man selbst gewählt hat.Und in einem Haus, einer Wohnung, die nach jeweils eigenen Wünschen errichtet wurden.
Selbstgewählte Nachbarschaft:
Das erleichertet sehr vieles im Leben.
Vor allem für Kinder und für deren Eltern.
Denn Kinder wollen vor allem eines. Andere Kinder.
Befinden sich solche in der unmittelbaren Nachbarschaft und gibt es zusätzlich (Frei-)Räume , in denen sie sich aufhalten, sich bewegen können, ist Aufwachsen einfach besser.
Und “Elternsein” wird entspannter.
Wenn Freunde einfach auch räumlich da sind, ist viel einfacher, einen Abend, oder ein Wochenende "off” zu sein, wenn andere, denen man vertraut auf die Kinder schaun.
Dafür nehmen “wir” dann nächstes Wochenende deren Kinder mit auf den Ausflug.
Einfach.Unkompliziert.

Aber auch ohne Kinder.
Wenn die große begrünte Dachterrasse (die muß es natürlich geben) für alle Hausbewohner offensteht, und dort in der warmen Jahreszeit öfters gegrillt wird, dann kann ich einfach hinaufgehen, und Freunde treffen, wenn ich mag.
Wenn ich schlicht meine Ruhe möchte, habe ich ohnehin meine eigene Wohnung.
Oder uns ist eine kleines Schwimmbad, eine Sauna, ein Weinkeller, eine große - zusätzliche - Gemeinschaftsküche, eine Werkstatt, ein Kindergarten was auch immer wichtig.
Wenn 10, 20 oder auch mehr Menschen sich finden, und soetwas errichten und bewohnen wollen, hier schlummern ungeheure Möglichkeiten des “Besseren Lebens”.
Warum ist das bisher dann sowenig realisiert worden.
Ganz einfach:
Laien (der Baubranche), hatten zwar den Wunsch, soetwas zu realisieren, aber weder das technische know how und vor allem nicht die Möglichkeit ein geeignetes Grundstück zu finden.
Solche Projekte brachen vor allem: Zeit.
Zeit sich als Gruppe zu finden, Wohnwünsche miteinander zu koordinieren, um dann, wenn alle Voraussetzungen stimmen, DANN ein Grundstück zu erwerben.
Aber wie kommt man zu einem Grundstück, wie finanziert man das? Hier war für viele Schluß.

2.) Jetzt gibts dafür ein konkretes Projekt.
Die Gesellschaft 3420, jene, die die Seestadt Aspern entwickelt, vielen noch als “Flugfeld Aspern” bekannt ist an mich herangetreten, ob ich als “Projektentwickler” Grundstücke in der Seestadt und potentielle Baugruppen vernetzen möchte.
Sehr gerne habe ich hier zugesagt, arbeite schon länger daran, und jetzt geht das Ganze los.
Ich freu mich sehr, daß beinahe alles, was mir dabei wichtig war, jetzt auch tatsächlich umgesetzt wird

3.) Einschub: Beruf und Politik
Mir war es immer wichtig, zusätzlich zu meinem politischen Standbein ein berufliches zu behalten.
So gründete ich bereits vor ca 20 Jahren einen kleinen Bauträger, der einige kleine, ökologisch wie architektonisch feine Projekte in Wien umgesetzt hat.
Auch weil es mir schon damals wichtig war zu zeigen, daß das, wofür ich politisch eintrete auch konkret möglich ist.
Diesen Bauträger mußte ich abgeben, als ich zum Klubobmanns der Wiener Grünen gewählt wurde, da es für dieses Amt (völlig zurecht) ein gesetzlich geregeltes ziemlich strenges Berufsverbot gibt.
Seitdem ich wieder “einfacher Abgeordneter” bin, hab ich mich wieder selbständig gemacht, und realisiere mit verschiedenen Partnern einige wenige Projekte, z.B. Passivhäuser mit hohem architektonischen Anspruch.
Mein beruflicher “Fuß” ist mir auch wichtig, da man allzuleicht in der “sehr eigenen” politischen Welt betriebsblind werden kann, und eine berufliche “Erdung” sehr wichtig ist.
Und nicht zuletzt: Ich würde jedem angehenden Politiker raten, niemals existenziell von einer Partei, egal welcher abhängig zu sein. Da wird man enorm erpreßbar und verliert die Möglichkeit, einfach aus der Politik wieder auszusteigen (was ich nicht vorhabe!).
Aber das liegt ja nicht nur an mir, man muß ja auch wieder gewählt werden.

3,) Infos über dieses Projekt gibt es hier, und am 22. Jänner um 18.00 gibts dazu eine erste Informationsveranstaltung

4.) Zum Standort: “Super Idee, aber so weit draussen...”, das höre ich öfters.
Kurz dazu. Es ist EINE Möglichkeit. Auch als Alternative für viele, die sich überlegen, “ins Grüne” zu ziehen.
Natürlich gibts für die Idee der Baugruppen auch andere Standorte. Nur ist diese Gesellschaft bisher die einzige in Wien, die solches sehr offensiv anbietet, es einfach will.
Und die Mischung aus Lobaunähe, großflächigem Grünraum, trotzdem urbaner Verdichtung (dezentrale Nahversorgung im Erdgeschoß statt Enkaufszentrum, plus ein neuer U-Bahnanschluß, der unmittelbar ins Zentrum führt) kann für viele attraktiv sein.
Denen soll damit ein Angebot gemacht werden

5.) Nur eine Qualität, die dort möglich sein wird, auf die ich recht stolz bin sei noch kurz erwähnt:
Ich lebe in einer Altbauwohnung vor allem auch deswegen: Ich liebe hohe Räume.
Dies schien bisher im Neubau nur sehr selten möglich, da Grundstückskosten und Widmung Verlust an Nutzfläche bedeuten würden, baute man höher als 2,5 Meter.
Hier, bei den Baugruppen in der Seestadt wird dies möglich sein, da die Grundstückskosten nach Nutzflächen berechnet werden, und widmungsmäßig höhere Räume möglich gemacht sind.

6.) Das attraktivste Angebot heißt: Zeit.
Menschen, die sich soetwas überlegen, haben einige Monate Zeit sich zu finden, ihr jeweils eigenes Modell zu entwickeln, dabei Unterstützung zu erhalten, vorerst ohne etwas entscheiden (oder gar bezahlen) zu müssen. Erst, wenn alles klar ist, kann ein Vorvertarg abgeschlossen werden.

Alle interessanten und auch wichtige Details hier zu beschreiben, würde den Rahmen eines (ohnehin schon zulangen) blogposts bei weitem sprengen.
Deswegen gibts ein von mir betreutes weblog, klarerweise mit Kommentarfunktion sowie verschiedene Informationsveranstaltungen.

Ich halte die Idee der Baugruppen, die in deutschen Städten enorm boomen (Freiburg, Tübingen, Berlin, Hamburg) für eine grandiose Idee zukünftigen Wohnens, ja mehr noch für eine sehr interessante sowie dezente Chance, das Konzept der isolierten Kleinstfamilie zu überwinden.
Dazu werden noch viele Diskussionen zu führen sein.
Ich freu mich jedenfalls sehr, diese Idee in Wien operativ begleiten zu dürfen.
Gerade weil es offen ist, was dabei herauskommt.

Eberau: Ein Spiegel

meine aktuelle Pressekolumne:


Klar, kurz und unmissverständlich ist der Satz. „Jeder hat das Recht, in anderen Ländern vor Verfolgung Asyl zu suchen und zu genießen.“ Es ist der Artikel14 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. 1948 wurde sie von der UNO beschlossen.

Man braucht nicht viel politische Fantasie, um sich vorzustellen, dass dieser Artikel heute kaum mehr eine Chance hätte, als universales Menschenrecht verankert und vor allem akzeptiert zu werden. Die zutiefst beschämenden Aussagen zu der sich jetzt reihenweise auch Sozialdemokraten rund um das burgenländische Eberau hinreißen lassen, zeigen, dass sich unsere Gesellschaft grundlegend gewandelt hat. In diesem Fall: eindeutig zum Schlechteren.

„Asyl“ wird nicht mit „Recht“ assoziiert, mit einer Grundstimmung der Solidarität oder des Mitgefühls für Verfolgte, sondern mit „Kriminalität“ und „Missbrauch“. Und trotzdem: Es kann doch nicht so schwer sein, einen oder besser mehrere Orte in Österreich zu finden, die jenen eine erste provisorische Heimstatt bieten, die häufig unermessliche Strapazen auf sich nehmen, ihr gesamtes Vermögen einsetzen, um in ein sicheres Land zu kommen.

Nein, hier soll nicht naiv propagiert werden, alle aufzunehmen. Ein rasches und faires Asylverfahren hat dann die Aufgabe, die Rechtmäßigkeit des Antrags zu prüfen. Hier soll nur die Frage gestellt werden, was aus unserer Gesellschaft geworden ist, die so tut, als wäre so eine Erstaufnahmestelle das Allerschrecklichste, was es zwischen Himmel und Erde geben könnte. Und was für eine feige, ja, hinterhältige Politik das Land regiert, die alles verheimlicht und versteckt, was zu einer Entscheidung führen könnte.

Wenn dann noch nach „Volksabstimmung“ krakeelt wird, wissend, dass Minderheitenrechte in einer zivilisierten Demokratie immer besonderen Schutz auch vor der Mehrheit bedürfen, dann beschleicht einen die bange Frage, ob wir eigentlich noch eine zivilisierte Demokratie sind. 1948, im Schatten der unermesslichen Barbarei des Nationalsozialismus war es möglich, einen riesigen Schritt zu gehen. Heute sind wir wirtschaftlich viel reicher als damals.

In den nächsten Tagen wird es wieder die alljährlichen Statistiken geben, dass mehr als 30 Prozent der Weihnachtsgeschenke im Müll landen. Als Zivilisation haben wir einen steilen Abstieg hinter uns. Angeführt von einer „politischen Elite“, die vor gar nicht so langer Zeit mit dem sprichwörtlichen nassen Fetzen davongejagt worden wäre, hätte sie derart agiert. Eberau hält uns einen Spiegel vor Augen.

Das Audimax und die Obdachlosen

meine aktuelle Pressekolumne.
Empoerten Leserbriefschreibenrn und Leitartiklern gewidmet:


Es sein “empoerend”, “entlarvend” , und was, bitteschoen, habe “das” es mit den Forderungen der Studenten zu tun. Wenig regte Leserbriefschreiber und Leitartikler mehr auf, als die Tatsache, dass im Audimax Obdachlose anzutreffen waren, dort verkoestigt wurden und gelegentlich sogar naechtigten.
“Soetwas” diskredidiere die “im Kern vielleicht berechtigten Anliegen” der Studierenden.
Voellig verrueckt schienen die Studiosi gar geworden, indem sie als eine Bedingung fuer die Freigabe des Audimax gar Duschen fuer Obdachlose verlangten.
Jetzt ist endlich wieder Ruhe und Ordnung hergestellt.
Es war sehr kalt vor Weihnachten.
Koennte man diese Geschichte nicht auch anders erzaehlen?
Da gibt es ploetzlich einen grossen Raum mitten in der Stadt, in dem Vorlesungen stattfanden, Diskussionen ueber die Zukunft der Bildung, in dem gestritten und gefreiert wurde, Musik gespielt und gegessen, Filme gezeigt und alles sogar live gefilmt und via Internet uebertragen wurde.
Es war das, was der Kern des Staedischen war und (leider immer weniger) ist: Eine Agora, ein oeffentlicher Platz. Das Wesen des oeffentlichen Platzes ist, dass niemand ausgeschlossen warden darf.
Niemand. Auch keine Obdachlosen.
Das Wunderbare war: irgendwie hat er funktioniert, dieser oeffentliche Platz.
Anders als Kaeufer, die sich durch den Anblick von Obdachlosen in ihrer Kauflust belaestigt fuehlen, und deswegen Sicherheitsdienste fuer deren Entfernung beanspruchen, kamen die Studenten irgendwie mit ihnen aus. Ja, sie sprachen gar mit ihnen, und arikulierten deren minimales Interesse: “Eine heisse Dusche!”
Zurecht mag man einwenden, dass das Audimax der Universitaet
nicht der rechte Ort fuer so eine Agora ist.
Aber, wo ist es dann?
Aber eines haben die paar Wochen im Audimax gezeigt:
Wie wichtig so eine Agora waere. Ein freier Ort, ja, warum nicht, von Studenten verwaltet, fuer all das, was in dieser kurzen Zeit im Audimax stattgefunden hat.
Denn immer mehr oeffentliche Raeume werden privatisiert; hereingelassen wird bloss, wer dem jeweiligen Eigentuemer genehm ist. Voraussetzung meist: Kaufkraft. Randfiguren jeglicher Art sind des nicht.
Diese werden in irgendwelche seperaten Raeume abgeschoben. Auch, damit wir alle weder mit ihnen, noch mit ihren Problemen konfrontiert werden.
Aber niemand will ins Ghetto abgeschoben sein.
Vielleicht, moeglich waere es doch, hat der eine oder andere Obdachlose den Film genossen, der gespielt wurde oder auch etwas aus den Vortraegen mitnehmen koennen.
Ein Wunsch fuer 2010: Wer schenkt der Stadt ein Audimax?

aus einer ziemlich anderen Welt

....
viel ist hier in Ithuba passiert in diesem Jahr
watch this 2nd Video from Poluso and Ayanda.

das erste und weitere Infos hier

Lernen aus Kopenhagen

Kopenhagen ist ein politisches Desaster.
Aber trotzdem, oder viellcht sogar deswegen:
Zwei mir wichtige Anmerkungen, besser gesagt Konsequenzen fuer die Zukunft.

1.) Es ist schlicht unmoeglich, dass sich 193 Staaten mit total unterschiedlichen Interessen in einem so relevanten Politikbereich einstimmig zu etwas verpflichten.
Wer schon einmal an politischen Verhandlungen teilgenommen hat, bzw. in einer Schulklasse mit, sagen wir 30 Schueler/innen versucht hat einstimmig z.B. das Ziel der Maturareise festzulegen weiss.
Einstimmigkeit ist totale Strukturkonservierung, gibt jedem einzelnen eine Vetomacht und so kann nur das allerkleinste Gemeinsame herauskommen.
Deswegen gabs ja u.a. den Lissabonvertrag, um weite Teile der EU-Entscheidungen aus der Einstimmigkeitsblockade herauszunehmen.
Wir sollten nun nicht nur empoert ueber die unfaehigen Politiker schimpfen, sondern lernen, dass soetwas (Einstimigkeit bei 193 Nationen) niemals zu wirklich einschneidenden und verbindlichen Entscheidungen fuehren kann.

Denn es geht um ziemlich Relevantes.
Wer ein wenig nachrechnet, wird erkennen, dass 25-30% CO2 Reduktion bis 2020 bzw Halbierung bis 2050 einen voelligen radikalen Umbau unserer Industriegesellschaft bedeutet.
Ich halte ihn fuer moeglich und widme einen Grossteil meines Berufes genau dem.
Einfach geht es sicher nicht.
Ergo: forget Monsterkongresse a la Kopenhagen, die Einstimmigkeit verlangen

Noch wichtiger ist mir
2.) Solange die Energiewende (genau darum gehts ja beim Klimaschutz) als Last empfunden wird, die man moeglichst gerecht verteilen muesse, wo man schauen muss, moeglichst wenig zugeteilt zu bekommen, solange wird sich kaum etwas aendern.
Das Gegenteil ist richtig, und das muss in die Koepfe:
Die Energiewende bringt nicht v.a. Belastungen sondern Chancen und ein besseres Leben.
Beispiel Guessing.
Dort gelang es weitgehend zu 100% auf erneuerbare Energietraeger umzusteigen.
Nicht weil man musste, sondern wollte.Und die Vorteile davon im Auge hatte.
Der (jetzt auch wirtschaftliche) Erfolg macht sie zurecht stolz.
Andere Beispiele:
Ein hoher Radverkehrsanteil ist keine Belastung, sondern macht das Leben in der Stadt schoener und besser.
Optimal gedaemmte Haeuser sind keine Belastung, sondern schonen die Geldboersen und stimulieren die lokale Bauwirtschaft.
Biologisch hergestellte Lebensmittel sind kein Problem sndern gesuender und schmecken besser.
Die Solaranlage am Dach statt Oel, Gas oder Atomstrom macht einen zufriedener nicht ungluecklicher.
DAS haben die Klimaverhandler nicht begriffen.

Dass Deutschland mit einem klugen EEG eine maechtig e Industrie im Solar-, Wind -und Biomassebereich geschaffen hat, ist ein Erfolg, und heute beschaeftigt dieser Sektor mehr Menschen als die Autoindustrie.

Deswegen stuerzt mich das Kopenhagendesaster nicht in Depression.
Sondern ermutigt mich, die vielfaeltigen Vorteile der Energiewende fuer Kommunen, Staaten und die Einzelnen hervorzustellen, damit die Energiewende immer mehr gewollt wird.

Also traeumen wir nicht von einer notwendigen Weltregierung, sondern staerken all jene, die dort arbeiten und leben, wo dei Energiewende entschieden wird. In jeder Gemeinde, in jeder Stadt.
Nur wenn die Vorteile erkannt werden, wird sie sich durchsetzen.
V.a. das sollten wir aus Kopenhagen lernen.

Manipulation statt direkter Demokratie

Gestern Donnerstag abend.
Die SPÖ sendet ihre Formulierung der Volksbefragung aus.
(siehe unten)
Gerade weil ich das Instrument der direkten Demokratie für sehr hoch erachte, halte ich nachfolgende Formulierungen für einen Hohn, nei schlimmer, einen schamlosen parteipolitischen Mißbrauch dieses Instrumentes.
Warum:
Jede/r weiss, daß die Art der Fragestellung massiv den Ausgang vorherbestimmt.
Will man ehrlich die Meinung der Bevölkerung kennenlernen, MUSS man eine neutrale Fragestellung formulieren.
Keinesfalls darf eindeutig tendentiös gefragt werden.
Bitte, selbst beurteilen.
Wie neutral sind diese Fragestellungen?

Am 11., 12. und 13.2.2010 soll in Wien eine Volksbefragung durchgeführt werden.

Die Fragen sollen lauten:

1. Im Jahr 2000 wurde durch den Bundesgesetzgeber die Möglichkeit abgeschafft, Hausbesorger anzustellen. Eine bundesgesetzliche Neuregelung ist seither nicht zustande gekommen.
Sind Sie dafür, dass in Wien die Möglichkeit geschaffen wird, neue HausbesorgerInnen (mit modernem Berufsbild) einzustellen?
JA NEIN

2. Internationale Studien zeigen, dass die Ganztagsschule der entscheidende Erfolgsfaktor für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie darstellt sowie das Bildungsniveau der Bevölkerung deutlich hebt.
Sind Sie für ein flächendeckendes Angebot an Ganztagsschulen in Wien ?
JA NEIN

Einige Großstädte (z. B. London, Stockholm) haben zur Bewältigung des innerstädtischen Verkehrs eine Einfahrtsgebühr für das Stadtzentrum eingeführt (Citymaut). In Wien konnte durch die Verkehrspolitik (Ausbau öffentlicher Verkehr, Parkraumbewirtschaftung, Wohnsammelgaragen, Ausbau Radwegenetz) in den letzten Jahren der Autoverkehr in der Stadt deutlich reduziert werden.
Soll in Wien eine Citymaut eingeführt werden ?
JA NEIN

In Wien fahren täglich Nachtbusse von 0.30 bis 5.00 Uhr. Ein 24-Stunden-U-Bahn-Betrieb am Wochenende (Freitag und Samstag) kostet pro Jahr 5 Millionen Euro und bewirkt veränderte Fahrtrouten der Nachtbusse an Wochenenden.
Sind sie dafür, dass die U-Bahn am Wochenende auch in der Nacht fährt ?
JA NEIN

Seit 2006 wird in Wien ein freiwilliger Hundeführschein angeboten. Der Hundeführschein ist eine fundierte Ausbildung für Hundehalter/innen, bei welcher der richtige Umgang mit Hunden erlernt wird. Bei der Prüfung müssen die Hundehalter/innen zeigen, dass sie den Hund auch in schwierigen Situationen im Griff haben.
Sind Sie dafür, dass es in Wien für sogenannte „Kampfhunde“ einen verpflichtenden Hundeführschein geben soll ?
JA NEIN


Derart tendentiöse Fragestellungen kennt man aus autoritären Regimen.
Es zeigt das Demokratieverständnis der Wiener SPÖ.

Am Beispiel Citymaut:
Es ist schlicht unrichtig, daß der Autoverkehr in Wien deutlich reduziert wurde, um nur ja die Bevölklerung zu einem von der SPÖ erwünschten "Nein" zu motivieren.

Wir werden dieser Volksbefragung, die ein direktdemokratisches Instrument schamlos mißbraucht nicht zustimmen.
Und hoffe sehr, daß gerade hier in der "blogosphäre" auch andere diese Vorgangsweise einer kritischen "Würdigung" unterziehen

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    Erwin Greiner - 26. Okt, 16:00
    Ein besonders krasses...
    ... dafür wie leicht es in der heutigen Medienwelt...
    Martin Schimak - 26. Okt, 14:16
    Lieber Christoph! Vielleicht...
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    volvox - 26. Okt, 11:21

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