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heut mal ein bisschen marxistisch

diese Grafik (gefunden hier) läd zum genauen Nachdenken über die Ursache der Wirtschaftskrise ein:

wagestoprod

wagestoprod1
vergössern?anklicken!

Sie zeigt zwei Entwicklungen in den USA (in Europa ist es ähnlich verlaufen):
Seit 1800 (also seit mehr als 200 Jahren) wächst die Produktivität der US Wirtschaft kontinuierlich. Bis in die 70er Jahre des 20 Jhdts kam es auch zu einer angemessenen Entlohnung der Arbeiter und Angestellten, die ja "immer produktiver" wurden. Und dann, nach 170 Jahren kam es plötzlich zu einem dramatischen Wechsel der gesellschaftlichen Verteilung. Die Löhne wuchsen trotz weiter steigender Produktivität nicht mehr, es "explodierten" jedoch die Unternehmensgewinne, die einen Aufkaufrausch (merger and acquisition) auslösten.
Diese steigenden Unternehmensgewinne waren auch Auslöser des steilen Anstiegs der Börsenwerte der Unternehmen.
Doch um den Konsumbedarf (die eigentliche Triebfeder der Expansion- irgendwer muss ja die immer "produktiver" hergestellten Waren kaufen) zu befriedigen gab es jetzt, wegen stagnierender, ja gar sinkender Reallöhne nur einen Weg: Den Kredit.
Und so "borgten" jene, die Vermögen ansammelten jenen anderen, jenen mit den stagnierenden Löhnen immer mehr. Gegen Zinsen natürlich.
Und so baute sich eine riesige, aus einer ungleichen Verteilung des gesellschaftlichen Wohlstands entstandene Kreditblase auf.
Und die ist jetzt geplatzt.
Denn Geld kann kein Geld verdienen.
Hättiwari:
Wäre ein grösserer (gerechterer!) Anteil des Produktivitätszuwachses bei den Arbeitern und Angestellten geblieben, hätten sie sich ihre Häuser nicht auf Kredit kaufen müssen.Sie hätten es aus ihren Löhnen bezahlen können.
Und es wäre jetzt nichts dagewesen, was platzen könnte.
Frage an meine geschätzen Blogleser/innen.
Liegt in dieser Argumentation irgendwo ein Trugschluss?
Gerhard W. Loub (Gast) - 29. Mär, 13:42

Lückenhaft

So betrachtet ist das natürlich eine große Ungerechtigkeit. Allerdings blendet die Grafik wesentliche Fakten aus. So ist die steigende Zahl der Beschäftigten nicht enthalten. Und die Grafik enthält keine Sozialleistungen, die explosionsartig gestiegen sind und durch die nicht in der Grafik enthaltenen Abgaben gedeckt werden müssen - von der Wirtschaft, aber auch als Teil des Gehalts. Wie die Grafik unter Berücksichtigung dieser Faktoren aussehen würde, würde mich echt interessieren...

Andreas (Gast) - 29. Mär, 15:51

Produktivität vs. Lohn

Dem Post stimme ich so nicht ganz zu:
@ Produktivität vs. Reallöhne: Ein Großteil der Produktivitätssteigerung stammt ja aus einer fortschreitenden Technisierung, wobei ja auch die Stückkosten pro Produkt massiv gefallen sind. IMHO ist daher eine Gleichsetzung von Produktivitätsteigerung und analog ebenso rasch steigendem Unternehmensgewinn nicht richtig. Zudem gilt die Tabelle nur für eine industrielle Produktion.

@Hausbau ohne Kredit: Rechnen wir mal ein wenig. EIn Haus mit Grundstück kostet z. B. ca. 350.000. Um dieses Haus ohne Kredit in einer angemessenen Zeit kaufen zu können, rechne ich mal eine Ansparzeit von 10 Jahren. Ergibt also 35.000 Sparleistung pro Jahr bzw. ca. 3000 Ansparung im Monat. Um das zu bewältigen ist ein Mindestbruttolohn von 10.000 nötig (50 % Steuer, Sozialabgaben, Lebenshaltunsgkosten). Welcher Unternehmer soll das einem "normalen" Arbeiter bezahlen? Seis drum, es wäre möglich. Dann baue ich also mein Haus und bestelle die Elektriker. Dieser hat drei Mitarbeiter. Die sollen dann ja auch ähnlich viel verdienen, wäre ja sonst ungerecht. Alos kostet mich dann die Elektrikerstunde auch das 5 - 6 fache des heutigen Preises, da der Elektriker ja auch kalkulieren muss. Im Prinzip ändert sich also nichts, das Verhältnis Lohn zu Preisen bleibt gleich. Bringt also irgendwie nichts.

Oder übersehe ich da etwas?
Andreas (Gast) - 29. Mär, 15:58

Mein Eintrag

war als Kommenatr auf den Blogpost gemeint :-)
dieter (Gast) - 29. Mär, 21:30

@Andreas:
ad. Produktivität:
Du hast recht, es geht in der Grafik nur um die Löhne vs. Output in der industriellen Produktion. Damit wird die Entwicklung dramatisiert, denn die Produktion hat ja auch andere Kosten, wie Energie, Maschinen usw. Ich habe aber andere Grafiken gesehen, die einen Anstieg der Unternehmensgewinne gegenüber Löhnen aufzeigt. Die obige Grafik zeigt nur das erhöhte Potential für zunehmende Unternehmensgewinne.

ad. Hausbau:
Da stimme ich dir zu. Hauskauf ohne Kredit mit ein paar Jahren ansparen wird es für breite Bevölkerungsschichten nicht spielen. Da sind Kredite durchaus sinnvoll. Dafür sind sie ja da. Gibt es ja auch schon ewig. Fannie Mae wurde von Roosevelt als Teil des New Deal 1938 gegründet, um die Kreditvergabe an Hauskäufer nach dem Crash wieder anzukrubeln.

Die österreichische Variante des Bausparens ist da schon ganz okay.
Wolfgang (Gast) - 1. Apr, 20:15

Kleine Info vom Lande

Der Grund, warum es bei uns so viele HäuslBAUER gibt, ist der, dass relativ viel selbst gemacht wird oder Verwandte helfen. Und die meisten Häuser sind in 10 Jahren auch nicht abbezahlt. Das dauert schon etwas länger. Aber wenn nicht grad der Wert des Hauses derart einbricht wie in Teilen der USA, ists nicht so schlimm. Andere zahlen Miete, Häuslbauer zahlen den Kredit zurück.

Der Grund, warum bei uns die Immo-Preise nicht so zerbröselt sind, ist ja auch der, dass wir eigentlich eh Wohnungsmangel haben. Außerdem ist der Kreditwahn bei uns nicht so weit fortgeschritten wie bei den Amis. Die haben ja teilweise die Wertsteigerung ihres Hauses als Zusatzeinkommen angesehn, und jedes Jahr ne neue Hypothek aufgenommen.
Michael (Gast) - 29. Mär, 14:58

@loub: Ob die Bevölkerungs- oder Beschäftigungszahl steigt oder nicht ist für dieses Diagramm (glaub ich) egal.

Die Sozialsysteme haben sicher einen großen Einfluss. LBJ hat ja die großen amerikanischen Sozialprogramme "Great Society" (vor allem Medicare und Medicaid) 1965 eingeführt. Zufällig genau dann entwickeln sich auch die beiden Kurven auseinander.

Ein anderes Problem hier ist, dass in die "Real Wages" die Inflation eingerechnet wird. Das ist einerseits logisch, andererseits können die Arbeitgeber nix dafür, wenn der Arbeitnehmer plötzlich das doppelte für den Benzin zahlen muss.

Ein weiteres Problem ist die Messung der Produktivität. Die Produktivität wird mit Hilfe des BIP ausgerechnet. Und im BIP sind einige Sachen drinnen, die nicht notwendigerweise was damit zu tun haben, wie wir uns Produktivität (oder Wohlstand) vorstellen. Ich bin kein Ökonom, deswegen hab ich da Probleme das zu verstehen, aber vor allem "Österreicher" kritisieren die Berechnung des BIP, z.B. aus dem Wikipedia-Eintrag zu GDP in "Austrian economist critique":

For instance, if a government embarks on the building of a pyramid, which adds absolutely nothing to the well-being of individuals, the GDP framework will regard this as economic growth. In reality, however, the building of the pyramid will divert real funding from wealth-generating activities, thereby stifling the production of wealth.

Michael (Gast) - 29. Mär, 17:40

Noch was ist mir eingefallen:

Die Warenkörben zur Berechnung des Preisniveaus ändern sich mit der Zeit. Weiters kann man z.B. die Wohnqualität von heute nicht mit der von 1950 vergleichen. Auch die Qualität der Lebensmittel ist gestiegen, ganz zu schweigen von der medizinischen Versorgung. Das wird in diesem Diagramm alles außer Acht gelassen.

Wer tatsächlich so wohnt wie man 1970 gewohnt hat, sich so ernährt wie man das damals gemacht hat, die gleiche medizinische Versorgung wie damals akzeptiert, und, und, und wird feststellen, dass er plötzlich am Ende des Monats sehr viel Geld übrig haben wird.
Tom Schaffer (Gast) - 30. Mär, 13:58

wobei in deiner argumentation wieder übersehen wird, dass die produktivität dieser dinge ja auch gestiegen ist und deshalb ihre preise stark gesunken. der lebensstandard ist ja nicht konstant.

warum die löhne plötzlich von der produktivität dermaßen abgekoppelt sind, wird dadurch nicht erklärt. du erklärst vielmehr, warum die löhne nicht ausreichen, um am ende des monats mehr erspartes zu haben.
Michael (Gast) - 30. Mär, 15:59

@Tom: Da hast Du natürlich recht. Ich wollte sagen, dass die Qualitätssteigerungen in der Teuerung nicht genügend berücksichtigt sind.

Aber das ist ja eigentlich auch kein Argument, da z.B. die Wohnqualität zwischen 1900 und 1950 auch gestiegen ist.
Christian Koeck (Gast) - 29. Mär, 18:06

lieber Christoph,

ich glaube auch, dass deine argumentation die abgaben (steuern und sozialversicherung) ausser acht lässt. wir leben heute in einer gesellschaft, in der die öffentlich finanzierte infrastruktur (strasse, wellfare, medizin, umweltschutz, staatliches gewaltmonopol etc.) mit dem von vor 100 jahren nicht vergleichbar ist. nimm einfach her, dass wir mehr als das 15 -fache absolut und fast das doppelte relativ für gesundheitsversorgung ausgeben. daran sieht man, dass die gleichsetzung produktivität mit unternehmensgewinnen nicht richtig ist.


ausserdem bin ich der meinung des anderen kommentators, dass es eigentlich keinen unterschied macht ob mit cash bezahlt oder auf kredit finanziert wird. der kredit ist eine wette auf steigenden wert der immobilie (wovon man in den meisten fällen ausgehen kann) und zukünftig steigendes einkommen (was im durchschnitt auch stimmt.

die ursache der krise ist glaube ich viel einfacher: man lernt spätestens in der 10 stunde mirkoökonomie, dass märkte rahmenbedingungen brauchen um effizient zu sein und dass eine dieser bedingungen die vollständige information der marktteilnehmer ist. wenn auf den meisten kreditanträgen von niedrigeinkommenskreditnehmer in den USA jahrelang falsche (überhöhte) angaben gemacht wurden um kredite zu rechtfertigen, dann ist die information nicht vollstädnig, oder besser falsch. oder einfacher: wenn im grossen stil betrogen wird, dann braucht man sich nicht wundern wenn dies zur katastrophe führt. wir brauchen einfach nur wirkliche rahmenbedingungen der märkte und kontrolle ihrer einhaltung.

dieter (Gast) - 29. Mär, 19:54

sub-prime ist ein Symptom und keine Ursache der Häuserblase. In den USA haben sich alle Einkommensschichten mit ihren Krediten übernommen. Die sub-prime Kredite sind nur als erste umgefallen.
dieter (Gast) - 29. Mär, 20:54

@cc
Die von dir aufgezeigte Problematik wird von einigen amerikanischen (nicht-marxistischen) Ökonomen als Teilgrund für die notorische Bubble-Wirtschaft der letzten zwei Jahrzehnte gesehen. Die Kapitalerträge der Vermögenden suchen sich immer neue Investitionsmöglichkeiten und fließen in einen Hype nach dem anderen.

Was den kreditfinanzierten Konsum zum Ausgleich von Reallohnstagnation angeht, sollen es nicht die einfachen Arbeiter gewesen sein. Speziell im oberen Bereich ist die Einkommensschere enorm auseinandergeklafft, also zwischen den neuen Superreichen und den Reichen, der oberen Mittelschicht und der mittleren Mittelschicht. Den Ausgleich schafften sie nicht nur auf Kredit, sondern, indem sie praktisch überhaupt nicht für den Ruhestand sparten.
Die Behauptung besteht also darin, dass beispielsweise der Ingenieur mit den rasant steigenden Konsum des Anwalts, der Anwalt mit dem Arzt und der Arzt mit dem Industriellen mithalten wollte.

Die Grafik kann man aber nicht einfach auf Österreich umlegen. Da wäre ich ganz vorsichtig. Das müsste man sich konkret ansehen.

Der Grund für die Entwicklung in den USA ist auch, dass es dort praktisch keine Gewerkschaften gibt.

Dean Baker bespricht die Thematik jedenfalls unter anderem in seinem Buch
"Plunder and Blunder: The Rise and Fall of the Bubble Economy"
Hier seine Vorstellung des Buchs auf Booktv.

Das Buch habe ich nicht gelesen, aber dem Vortrag nach zu urteilen, ist es nichts anderes, als ein Ausschnitt dessen, was er in seinem überaus lesenswerten Blog Beat The Press regelmäßig bespricht.

One Brick (Gast) - 29. Mär, 21:08

Kapitalschere

Ich denke es geht im Kern nicht darum ob das Haus Kreditfinanziert werden muss oder nicht.

Der zentrale Punkt ist, dass die Kapitalverteilung seit jeher (exponentiell) zur Ungleichverteilung tendiert, d.h im Gleichschritt mit dem Wachstum des Gesamtwohlstands öffnet sich auch die Kapitalschere: Wenige verfügen über einen immer größer werdenden Anteil des Kapitals.

Da im Wesentlichen Verzinsungsmechanismen zu tragen kommen handelt es sich um ein systemimmanentes Problem (Zins=Marktpreis des Kapitals), denn selbstverständlich kann Geld Geld verdienen. Die Kurzschlussreaktion darauf besteht darin das System der Marktwirtschaft als solches in Frage zu stellen - an statt das System durch Lösung von Detailproblemen zu verbessern.

Vernünftiger Weise werden derartige unerwünschte Effekte durch externe Regeln neutralisiert. Das bestehende Regelwerk unseres Wirtschaftssystems kennt solche Instrumente derzeit aber kaum, was nicht wundert da mit der ungleichen Kapitalverteilung auch überprotportionales politisches Moment im Rahmen eines demokratischen Systems verbunden ist (auf linkslinks: die Reichen können es sich richten).

CCs Andeutung, es wäre alles besser wenn den Produktivitätsgewinn nicht überwiegend die Investoren sondern allein die Arbeiter eingestreift hätten, deutet auf mangelndes Verständnis der Erfolgsfaktoren hin, da damit der Anreiz für den Kapitaleinsatz verlorenginge und das System zum Erliegen käme. An Hand des enormen Wirtschafts-und Wohlstandswachsums des letzten Jarhunderts haben wir gesehen, dass das kapitalistische Anreizsystem grundsätzlich gut funktioniert.

Die Aufgabe besteht also nicht darin das System als solches in Frage zu stellen, sondern sinnvolle Verbesserungen einzuführen, d.h. einerseits weiter auf privates Engagement zu setzen, andererseits aber die selbstperpetuierende Kapitalakkumulation zu unterbrechen (schliesslich führte das Überangebot an Kapital ja auch zum Anwachsen des sub-prime-Kreditvolumens).

Ein effektives Instrument der Kapitalscherenschliessung ist das "Platzen der Blasen" - wie wir es gegenwärtig erleben: so mancher Milliardär ist heute zwar nicht arm, hat aber trotzdem innert kurzer Zeit einen Großteil des Vermögens verloren.

Der krisenhafte Charakter solcher Ereignisse hat leider zahlreiche Nachteile die von der mangelnden Steuerbarkeit bis zu Kollateralschäden bei Arbeitnehmern reichen.

Obwohl mir selbst nur eher utopische Vorschläge zur Lösung des Kapitalscherenproblems einfallen (z.B. "Erbrecht: der Staat erbt alles, die Nachkommen nichts", "Kein Sekundärmarkt für Derivate") habe ich volles Vertrauen daß die Akademia im Stande ist ein adäquates Arsenal geeigneter Instrumente zu entwickeln.

dieter (Gast) - 29. Mär, 21:49

Der zentrale Punkt ist, dass die Kapitalverteilung seit jeher (exponentiell) zur Ungleichverteilung tendiert, d.h im Gleichschritt mit dem Wachstum des Gesamtwohlstands öffnet sich auch die Kapitalschere: Wenige verfügen über einen immer größer werdenden Anteil des Kapitals.
Das sehe ich nicht so. Du übersiehst, dass der Kreditnehmer, wenn er sinnvoll investiert, relativ zum Kreditgeber reicher werden kann. Das betrifft auch kleine Investitionen von Privatleuten. Wenn ich mir eine thermische Sanierung auf Kredit finanziere, können meine eingesparten Heizkosten die gezahlten Zinsen weit übertreffen. Auch wenn man ein Haus auf Kredit kauft, kann man im Vergleich zu den Mietkosten, die man sonst gehabt hätte, sparen.

Wenn deine Theorie stimmen würde, hätte sich nie eine Mittelschicht entwickeln können. Und es müsste extrem viele altreiche Dynastien geben. Die gibt es aber nicht. Die reichsten Amerikaner der 50er waren beispielsweise eine Handvoll von texanischen Ölbcowboys. Schon eine Generation später war von dem Vermögen kaum noch was übrig.
e9325827 - 30. Mär, 19:01

@Dieter

"Du übersiehst, dass der Kreditnehmer, wenn er sinnvoll investiert, relativ zum Kreditgeber reicher werden kann."

Der Kreditnehmer kann vom Kredit stärker profitieren als der Kreditgeber, einfach ist das aber nicht.

Beispiel:
Ich nehme 100.000 Euro auf, Zinsen 5% auf 1 Jahr.
Ich wirtschafte mit den 100.000 und erziele eine Rendite von x%.
Um relativ zum Kreditgeber reicher zu werden, muss ich eine Rendite von über 10% erzielen, das ist aber verdammt viel - ich muss ja jedenfalls 105.000 an den Kreditgeber zurückzahlen.
Und es gibt für mich als Kreditnehmer keinen Grund, nicht auch mit einer Rendite von 6 % zufrieden zu sein - immerhin kann ich mich über 1.000 Euro freuen.
paZiFist (Gast) - 1. Apr, 19:55

Total exponentiell...

in alle erdenkbaren Richtungen. Das Grundübel ist der Zins und solange Geld Geld verdienen kann, wird sich daran auch nichts ändern. Als ob das nicht schon schlimm genug wäre - Nein, unser Geld wird auch noch aus Schuld geschöpft. Ein Staat der keine Schulden hat, hat auch kein Geld im Umlauf.

Keine Regel wird die Basis des Systems außer Kraft setzen - dann wäre es ja das Ende des Systems. Das einzige was überhaupt gesteuert werden kann, mit all den Reglern und Hebeln, ist die Zeitspanne. Wobei die letzten paar Jahrzehnte des Systems immer gleich ablaufen. Es ist nicht die Frage Ob, sondern Wann - passieren wird es auf alle Fälle.

Dieses System bietet keine Alternativen und auch wenig Anreiz. Das wird wohl auch der Grund dafür sein, dass sich Lösungsansätze so utopisch anhören.

Doch Lösungen gibt es durchaus, aber die haben dann auch nichts mehr mit diesem System zu tun.

Die menschliche Zivilisation kam auch lange Zeiten ohne Zinsen aus. Damals hatte man schon die 5 Tage Woche und ein Arbeitstag hatte 6 Stunden und das war im Mittelalter. Hier stand Geld nicht im Weg - hier war es nützlich, für alle. Viele der bedeutendsten Bauwerke der europäischen Geschichte wurden in dieser Epoche errichtet.

Aber soweit braucht man gar nicht zurückschauen - In der letzten Weltwirtschaftskrise erregte "Das Wunder von Wörgl" weltweites Aufsehen und motivierte zum Nachmachen. Als sich 1000 Gemeinden in Österreich anschließen wollten, wurde es von der Zentralbank mit der Androhung militärischer Gewalt verboten.

So schauts aus... (...für mich)
One Brick (Gast) - 7. Apr, 09:43

@Dieter

Ich habe mich offenbar nicht präzise genug ausgedrückt:
mein Ansatzpunkt ist nicht das Kreditwesen an sich, auch nicht die Tatsache, dass Zinsen erwirtschaftet werden - also "Geld Geld verdienen" kann.
Diese Elemente sind Grundvoraussetzungen eines liberalen Wirtschaftssystems - und ein besseres hat sich, auch nach zahlreichen empirischen Versuchen, bislang nicht gefunden.

Mein Punkt ist vielmehr, dass - systemimmanent - die Kapitalverteilung im Verlauf der Zeit eine starke Dynamik zu einer ungleichen Verteilung annimmt: das verfügbare Kapital konzentriert sich auf (wenige) Personen - das ist ja auch die Kernaussage der Grafik. Das halte ich auch noch für ganz normal und vor allem unvermeidbar. Diese Kapitalschere klafft nicht nur zwischen Reichen und Superreichen (Deine These), sondern "Querbeet" durch alle Schichten u.a. über gängige Kapitalmarktprodukte: heute wird ja schon Minderjährigen eingeredet sie brauchen einen Pensionsvorsorgefonds. D.h. vom Level 0 (verschuldet, keine Sparquote) bis 100 (Gates&Co) ist alles vertreten.

Jeder Vorschlag hier wirksam einzugreifen (gleicher Lohn für alle, 99%-Steuersat für Reiche,...) zerstört das Anreizsystem, die Triebfeder individueller Anstrengung, den Baustein des Wohlfahrtsgewinns.

Wir sind uns - denke ich - einig, dass eine wesentliche Ursache der Krise das Überangebot an Geld war, das - den Gesetzen der Marktwirtwschaft folgend billig, d.h. auch bei ungenügenden Sicherheiten, als Kredit zu haben war.

Daher komme ich zu dem Schluss, dass die beschriebene "Kapitalschere" derartige Krisen praktisch erzwingt.

Wenn es einen Lösungsansatz gibt, müsste er einerseits das individuelle Anreizsystem erhalten (d.h. Kapitalbildung "zahlt sich aus"), auf der anderen Seite jedoch die Akkumulation über längere Zeiträume verhindern. So bin ich auf die Idee mit dem "Schluss mit dem Erben" gekommen, das die Kapitalbildungsphasen auf die arbeitsfähige Lebenszeit des Individuums beschränkt. Und wenn ich schon in Utopien schwelge: das hätte vielleicht auch den Nebeneffekt, dass die Elterngeneration den Schwepunkt der Vorsorge für ihre Nachkommen weg vom materiellen ("Haus vererben") hin zu "Chancen maximieren" im eigenen Leben verlagert.
Martin Schimak - 29. Mär, 22:54

die diskussion um diesen eintrag zeigt mir, dass das niveau der leser/innen hier nach wie vor sehr hoch ist, wenn die frage entsprechend spannend ist, merkt man das sofort. kenne ich so kaum von einem anderen blog... ich glaube es ist sehr gut, nicht nur aussagen hinauszuschreien, sondern auch einfach ("bescheidenere") fragen zu stellen, wie hier am ende des eintrags geschehen. insofern könnte dieser eintrag vorbildcharakter für vieles haben, was da hoffentlich noch so kommt...

e9325827 - 30. Mär, 19:04

Ja, die Beiträge hier sind hochinteressant zu lesen - ich habe mich auch immer gefragt, wie stichhaltig das oft gelesene und häufig von Marxisten gebrachte Argument von Produktivitätssteigerungen versus Lohnsteigerungen ist. Jetzt kann ich es ein bisschen besser einschätzen.
Martin Schimak - 29. Mär, 23:08

achja, meine inhaltliche assoziation: warum eigentlich nicht die zinsen des bereits von der vorgängergeneration aufgebauten kapitalstocks der aktuellen generation als "bedingungsloses grundeinkommen" auszahlen und nur die darauf aufbauenden individuellen leistungen in dieser generation rein marktwirtschaftlich abgelten?

prägnant formuliert hielte ich sowas oder sowas in der art ja für eine grundvoraussetzung dafür, dass der kapitalismus seinen "job" auch in den nächsten 100 jahren sinnvoll fortsetzen kann: sich nämlich der abschaffung aller unangenehmer arbeit weiterhin asymptotisch anzunähern.

sgm (Gast) - 31. Mär, 17:34

Problem des Grundeinkommens

Auch wenn die Idee des Grundeinkommens nicht so schlecht ist, kann dies zu einer größeren Preissteigerung führen, sodass selbst das Grundeinkommen wiederum viel zu wenig wäre und sich viele das Leben doch wiederum nicht leisten können. Das bedingt nämlich in gewisser Weise die Marktwirtschaft. in anderen Staatsformen, wie dem Kommunismus, glaub ich kann das ja funktionieren. Nur müsste das eine moderne Form des Kommunismus sein, wo auch demokratische Elemente vorkommen.
tomj (Gast) - 30. Mär, 10:16

Goldbindung

Bis in die 70-er Jahre gab es auch noch eine zumindest teilweise Golddeckung des
US-Dollars und damit aller entsprechenden Währungsreserven. Diese Deckung wurde im
Zuge des eigentlich nicht mehr finanzierbaren Vietnamkrieges aufgegeben und erst
dieses Abrücken von der Golddeckung hat die seither in exponentiellem Ausmaß
erfolgende Geldschöpfung und damit entsprechende Schulden auf der einen und Gewinne
auf der anderen Seite ermöglicht. Das Spiel endet natürlich zwangsläufig, wenn nicht
mehr ausreichend Nachschuldner gefunden werden, die das Pyramidenspiel am Leben
erhalten (siehe auch zB Paul C. Martin: Wann kommt der Staatsbankrott).

Aurisa - 1. Apr, 20:35

Richtig... und daß Pyramidenspiele verboten sind - soweit ich weiss in Österreich ebenso wie in Deutschland... - daß aber gleichzeitig der Kapitalismus das größe Pyramidenspiel der Welt ist... eines, das eben NICHT verboten ist... das ist schon ein sehr böser Treppenwitz der Geschichte...
teacher - 30. Mär, 10:23

Die Grafik ist schon interessant, aber vor allem deswegen, weil die beiden Kurven bereits vor 50 Jahren ihre vermeintliche Parallelität aufgegeben haben.
Die Immobilienblase ist vielleicht seit 10 Jahren unnatürlich gewachsen ...

harald (Gast) - 31. Mär, 09:27

unterschiedliche popularität

sehr interessante these!

PS interessant auch, wie angeregt in diesem blog diskutiert wird, während im blog der eu-spitzenkandidatin sich genau nix tut. die einzigen beiden einträge sind von mir, und die werden möglicherweise bald gelöscht werden.

sgm (Gast) - 31. Mär, 17:29

das liegt an der Blogg-Gestaltung:
Grau auf Weiß: das ist erdrückend.
+ das liegt an den überlangen Sätzen,
an den viel zu vielen Emotionsausschüttungen,
daran, dass sie kaum Probleme anspricht, die die Bevölkerung oder eine größere Personengruppe betrifft.
und sonst ist sie einfach keine MedienmenschIN, der(die) es auf den Punkt bringt.
sgm (Gast) - 31. Mär, 17:24

Reformvorschläge...

Mein Vorschlag wäre:

Eine Maximalspanne von 10% Unterschied zwischen Gehältern/Löhne, die in einem Unternehmen auftreten dürfen. Dann erübrigt sich in Zukunft jede Diskussion der Fairness.

Und Boni sollten in Zukunft auch auf alle Mitarbeiter aufgeteilt werden müssen. Schließlich arbeitet jeder im Unternehmen mit und garantiert dadurch einen Erfolg. Sobald nämlich irgendwo jemand nicht produktiv wäre, würde sich auch der Erfolg des Unternehmens schmälern.

Zusätzlich müsste man Anreize schaffen, dass Unternehmer hier investieren. z.B.. Lohnsteuern senken, Standortförderungen, ...

Und ich wäre für eine andere Globalwährung als den Dollar. Eine Globalwährung hätte den Vorteil, dass diese unabhängiger von den Inlandsturbulenzen einzelner Staaten sein kann.
Und eine Institution müsste entstehen, die die Finanzmärkte kontrolliert. Am besten ein Gremium von allen Staaten die am Weltmarkt beteiligt sind. ev. so ähnlich wie die UNO.

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