back_top

Finnland und das Buch

Finnland mit seinen 5 Mio Einwohnern ist ein mehr als interessantes Land.
Seine Schulen sind schlicht vorbildlich, seine in den 90er Jahren extrem hohe Arbeitslosiogkeit wurde dradtisch gesenkt, es ist das Land mit der höchsten Akademikerrate in der gesamten EU, die Finnen sind äusserst egalitär (messbar z.B. am mit 26,9 sehr geringen GINI Koeffizienten, der die Einkommensverteilung bewertet), sie geben viel für Forschung aus, und auch für die Entwicklungshilfe.

Ein zentrale Ursache dieser Entwicklung sehe ich darin:
Es ist ein Land in dem extrem viel gelesen wird, eine "Bücherkultur" breit verankert ist.
Weil es so lange dunkel, und in diesem dünn besiedelten Land die Entfernungen so gross sind, wurden und werden Bücher als der Schlüssel zur Welt gesehen.
(Was sicher keine hinreichende Erklärung ist)

Eine Zahl möge das illustrieren.
In Österreich werden jährlich ca 16 Mio Bücher ausgeliehen (bei 8 Mio Einwohnern)
In Finnland sind es 102 Mio (von 5 Mio Einwohnern).
Pro Kopf also das 10 (!)fache.
Finnland ist, im Unterschied zu uns schlicht eine wirklich literale Gesellschaft.
Ceterum censeo:Zu den wichtigsten Aufgaben eines Bildungssystem (Eltern und Schule)gehört es, Kindern das Lesen schmackhaft zu machen.


die österr. Daten sind von hier
die finnischen von hier
Terroristin - 23. Mai, 21:25

Bücher zum Unterzünden?

Ich bin mir jetzt nicht sicher, ob die Finnen die Bücher, die sie ausleihen auch wieder zurückbringen, aber - rein empirisch gesehen - würde ich meinen, daß die Finnen diese Bücher häufig zum Unterzünden der Schnapsbrenner verwenden. Jaja, wo eine Sonne, da auch ein Schatten ;-)

gbtoe (Gast) - 24. Mai, 11:30

wunsch

einen gegenüberstellung des finnischen zum österreichischen gini-koeffizienten wäre schön.

cc - 24. Mai, 15:13

aber gerne!

GINI Koeffizient
je höher, desto ungleicher die Einkommensverteilung in einem Land
Finnland: 26,9
Österr.: 31
USA: 45
Südafrika: 59.3
steppenhund - 24. Mai, 11:46

Gründe

Eine ausgezeichnete Überlegung.
Ich bin noch auf einen anderen Unterschied aufmerksamgemacht worden: Lehrerauswahl.
Siehe dort.

maschi - 24. Mai, 12:03

Wobei...

... wenn wir in 20 Jahren alle auf elektronischen Devices lesen, die heutigen Büchern von der Benutzung her ähnlicher sind, als wir uns das alle vorstellen können...

... wird das in die Statistik dann eigentlich als "Buch lesen" oder als "nutzlose Zeit vor dem Computer" einfliessen? Und wie ähnlich wird so ein elektronisches Device einem Buch werden müssen, dass wir uns auch in diesem Bereich an den Gedanken gewöhnen, dass es niemals ein Zurück gibt, immer nur ein Vorwärts?

steppenhund - 24. Mai, 12:42

Persistenz

In der EDV gibt es den Begriff der Persistenz, dauerhafte Datenhaltung. Obwohl ich hinsichtlich der technischen Entwicklung durchaus mit viel Vorstellungsvermögen ausgestattet bin, kann ich einen Trend zu Medien mit kürzerer Haltbarkeit erkennen.
Magnetbänder haben längere Haltbarkeitsdauer als CDs, CDs wiederum sind noch besser als DVDs. Ich nehme an, da wird noch einiges nachkommen. Die Begründung liegt (nicht technisch sondern anschaulich gesehen) in der höheren Datendichte.
Bücher haben auch eine begrenzte Haltbarkeit, doch ist diese doch um eine Größenordnung besser.
Man kann argumentieren, dass in Zeiten der Online-Verfügbarkeit eine zentrale Bibliothek besteht, von der man sich jedes Buch "on demand" herunterlädt. Dann gibt es aber noch immer zwei Argumente, die für eine weitere Lebensberechtigung des Buches sprechen:
1. Das Besitzdenken von Menschen. Was ich habe, habe ich.
2. Die wesentlich schnellere Übersicht über die Qualität eines Buches. Um durch ein Buch elektronisch durchzuscrollen ist nicht vergleichbar mit dem raschen Durchblättern.
Ich persönlich bevorzuge besonders bei Fachbüchern übrigens die Kombination Buch/Computer. Das Buch lese ich, auf dem Computer mache ich mir meinen Buchauszug, hauptsächlich mit mindmapping.
maschi - 24. Mai, 12:55

@steppenhund

Die Erfahrung zeigt, dass ein neueres Medium nur in den allerseltensten Fällen ein altes zur Gänze verdrängt. Was das Buch anbelangt, bin ich nicht nur selbst ein Fan, sondern auch optimistisch, dass viele andere auch "Fans" bleiben werden. Es wird seinen Platz halt neben mehr alternativer Konkurrenz behaupten müssen.

Aber der für mich zentrale Punkt war ein anderer: Es geht CC in seinem Kommentar in erster Linie ums "LESEN" und nicht zentral um "BÜCHER". Und diese Unterscheidung wird sich früher oder später dann auch in den Statistiken verstärkt niederschlagen müssen, sonst erleben wir die nächste Konjunktur eines Nicht-Themas unter dem Eindruck schlechter Statistiken - wäre ja nicht das erste Mal.

Btw: fliessen eigentlich Hörbücher, Podcasts etc in die "Bücher-" und "Lese"statistiken ein? Wir stehen erst am Anfang dieser Entwicklung...
steppenhund - 24. Mai, 13:26

@maschi
Ok, da bin ich durchaus dabei. Ich muss allerdings dann hinzufügen, dass nicht der Computer der Feind des Lesens ist sondern das Fernsehen. In einer Hörfunksendung - leider nicht mehr auffindbar - hörte ich von der These, dass Kinder, die im Alter von drei Jahren früher fernsehen als Geschichten vorgelesen bekommen, später eine ausgeprägte Leseschwäche aufweisen.
Dass die auch zu ablehnendem Verhalten führt, liegt auf der Hand.
Der Fernseher als Babysitter nimmt aber vermutlich zu.
Die Geschichte mit dem Fernsehen leuchtet mir absolut ein. Die Fremdvorgabe eines zeitlichen Ablaufs steht in striktem Widerspruch zur Entfaltung der Fantasie und dem Erzeugen von inneren Bildern.
maschi - 24. Mai, 13:55

@steppenhund

ich glaube hier weniger an einen ursache-wirkungs-zusammenhang, sondern an eine statistische koinzidenz. dh. nicht das fernsehen führt kausal zu einer leseschwäche, sondern kinder, die weniger vielfältig gefordert werden, und bei denen vielleicht das zuhause generell weniger passt, die sitzen dann auch mehr vorm fernsehen - einfach weils eine leichte und für fast alle verfügbare option ist.

ich bin mir sicher, dass selbst kinder, die mehrere stunden am tag fernsehen und gleichzeitig den rest der zeit extrem gut eingebettet und gefordert und aktiv sind - dass die "trotz" starken fernsehkonsums keine lese- oder sonstige schwäche haben werden. wieder so ein statistik-klassiker...

bei meinen (kleinen) kindern halte ich es so, dass die fernsehzeit schon stark begrenzt ist, weil sie sonst "hineinkippen" - ich würde es aber keinesfalls wollen, das fernsehen zu verbannen - da sind Inhalte wie zB "Sesamstrasse", "Sendung mit der Maus", "Forscherexpress" etc etc. viel zu wertvoll...! Wär schad drum, ihnen das vorzuenthalten.
Gérard (Gast) - 24. Mai, 15:34

Die Statistik is' a Hund

Ok, Finnland ist das Paradies auf Erden. Zur Kenntnis genommen.

Wenn wir aber ein bisschen nachdenken, stellen sich doch ein paar Fragen...
- ad Gesamtschule: kann die finnische Gesellschaft der 70er mit der österreichischen der Gegenwart verglichen werden?
- ad Arbeitslosigkeit: (2005, lt. EU) Finnland 8,4%, Ö. 5,2%
- ad Akademikerrate: Äpfel und Birnen.... (Bachelor vs. öst. HTL-Maturanten etc.)
- ad egalitär: hängt primär von (sehr) hohen Steuern und der entspr. staatl. Umverteilung ab, man könnte auch sagen, eine egalitäre Gesellschaft ist weniger frei, weil der einzelne die Entscheidungen dem Staat überantwortet (Ggtl. zu USA)
- ad Bücher: da kommts wohl drauf an, was gelesen wird und von wem. wird wohl keine Gleichverteilung sein, nach dem Motto jeder Finne und jede Finnin liest exakt 20,4 Bücher pro Jahr
- ad Dunkelheit: das ist ein Scherz, oder?!
- ad Bildungssystem/Lesen: da müssen die Voraussetzungen im Elternhaus geschaffen werden, wenn die Kindern vor dem TV sozialisiert werden und keinen "Bildungsinput" von zu Hause mitbekommen, hilft die tollste Schule kaum noch. => ergo: Kindergarten ab 3 und kostenlos und 12h pro Tag offen!

cc - 24. Mai, 17:26

von wegen Paradies

Finnland ist alles andere als ein Paradies.
Vieles halte ich für vorbildlich, da könnten wir was lernen (drum hab ichs geschrieben) vieles ist kritikwürdig
z.B. Viele Häuser sind im Waldland Finnland elektrisch beheizt.Drum ist der Stromverbrauch pro Kopf extrem hoch und sie glauben deswegen Atomkraftwerke betreiben zu müssen.
Hocheffizentes Bauen bzw sanieren und Pellets (sie haben sehr viele Sägewerke) wären die Alternative.
Kritisch nachdenklich macht mich auch die sehr hohe Selbstmordrate.
Mir ging es aber nicht um einen ausgewogenen Beitrag zu Finnland (Merke: blog ist nicht öffentlich rechtlich und auch nicht zur Objektivität verpflichtet) sondern um seine Literalität.
Deswegen geb ich auch Maschi recht: Es geht ums Lesen und nicht um die Bücher.
Der Zusammenhang scheint mir aber evident zu sein.
Beachtlich, wenn ich das wiederholen darf ist die Fähigkeit, eine extrem hohe Arbeitslosenrate (20% und mehr nach dem Zusammenbruch der UdSSR) so deutlich zu reduzieren.
Politik kann verändern, das glauben hierzulande ja immer weniger
coyote (Gast) - 25. Mai, 11:01

Die spinnen, die Finnen...

dieter (Gast) - 2. Jun, 18:41

Inwiefern sind die Amerikaner denn so viel freier als die Finnen?

Das mit der Dunkelheit kann schon so sein. Sonneneinstrahlung und Klima wirken sich nachweislich auch auf das Gemüt der Leute, auf die Selbstmordrate, auf Produktivität und Arbeitsmoral und vieles andere aus. Wir Menschen sind halt nicht so unabhängig von Umwelteinflüssen, wie wir uns das gerne einreden.
Gérard (Gast) - 3. Jun, 19:15

ad freie Amis

Ein Staat, der durch (sehr) hohe Steuern zB. ein spitzen Bildungssystem finanziert, schränkt einerseits die Freiheit des einzelnen ein (weniger Spielraum, da weniger Einkommen übrig), schafft andererseits eine egalitärere Gesellschaft mit mehr Chancen für alle. Das Extrem einer unfreien Gesellschaft ist das Idealbild des Kommunismus: der Staat entscheidet über alles. -- Die Kunst der Politik ist es nun, hier ein Gleichgewicht zu finden.

ad Dunkelheit/Bücher: ich halte den Kausalzusammenhang Polarnacht - hoher Bücherkonsum für ein bisschen stark simplifiziert. Die meisten Finninnen werden im Zweifel wohl auch zur TV-Fernbedienung greifen, und nicht zu Kierkegaard. ;-)
gbtoe (Gast) - 30. Mai, 14:49

@ Bildung und Lebensqualität

weils grad passt:
hier wird ein Zusammenhang zwischen Bildungsniveau und Friedfertigkeit hergestellt:
https://orf.at/?href=http%3A%2F%2Forf.at%2Fticker%2F254811.html

Diesbezüglich ist Israel wohl ein Ausreißer?

weiss wer mehr über den Global Peace Index der Economist Intelligence Unit (EIU)?

gbtoe (Gast) - 30. Mai, 22:10

cc - 31. Mai, 14:43

wie der Volksmund so schön sagt

"Nach dem Spitzenreiter Norwegen belegen Neuseeland, Dänemark, Irland, Japan, Finnland und Schweden die besten Plätze.

Einkommen und Bildung sind der Analyse zufolge entscheidende Maßstäbe für die Friedfertigkeit."

wie heissts so schön: "Besser reich und g`scheit, als arm und blöd" oder so ähnlich...
Gérard (Gast) - 3. Jun, 20:48

off topic: G8, Attac

Sorry für den Themenwechsel (wobei, im weitesten Sinn passts eh), zusätzlich empfehle ich den letzten Misik-Artikel im Falter ("Der Linken neue Kleider").

Ich möchte keine Diskussion über gewaltbereite, zerstörungswütige Menschen im Rahmen von Demonstrationen auslösen, aber in den Raum stellen, inwieweit konfuse Protestaktionen (s. Misik!) - Motto "Hauptsache dagegen" - diverser Veranstalter im Zusammenspiel mit sensationsgeilen Medien diese Ereignisse erst auslösen.

Auf der deutschen Attac-Seite ( https://www.attac.de/heiligendamm07/pages/kritik-an-der-g8.php ) wird zB. über die G8 der folgende Unfug als offizieller Standpunkt verbreitet: "Die gemeinsame Ideologie der G8 ist der Neoliberalismus. Die Politik der G8 steht für Kriege, Umweltzerstörung und die Vergrößerung der sozialen Unterschiede, sowohl innerhalb der Staaten, als auch zwischen Nord und Süd."

"In klaren Worten, treffen sich hier weltfremde und elitäre Leute die, oftmals gegen jede Sachkenntnis, sich anmaßen Entscheidungen zu treffen, die einen großen Teil der Welt beeinflussen. Die Entscheidungen, die sie treffen sind ausschließlich auf den persönlichen Machterhalt und die Bereicherung der Wirtschafts- und Finanzeliten ausgerichtet."

Tatsächlich sind die Mehrheit der G8 Länder, in denen traditionell Sozialstaaten den Ausgleich zw. Arb.gebern und Arb.nehmern erzielen, in denen eine kluge Politik seit Jahrzehnten Kriege verhindert hat, in denen der Umweltschutz seit Jahren ein wesentlicher Teil der Wirtschaftspolitik ist usw. Ganz im Gegensatz zu den aufstachelnden, simplen Botschaften der Protestierer sind seit einigen Jahren die sozialen Ungleichheiten auf der Welt (diesmal: Afrika) und Klimaschutzmaßnahmen Themen der G8-Treffen.

Mich macht es besorgt und wütend, dass so viele gutgläubige Menschen, von einigen verantwortungslosen Funktionären diverser Organisationen (Attac ist hier nur als Beispiel angeführt) missbraucht werden. Anstatt mit einseitigen, oft vorsätzlich falschen, Informationen Stimmungsmache zu betreiben, wäre es weit sinnvoller, sich mit den "Bösen, Mächtigen" an einen Tisch zu setzen und Zukunftsszenarien zu entwicklen.

Mail an
Christoph Chorherr

Versuche jedenfalls Mails selbst zu beantworten.

Christoph Chorherr auf Twitter Christoph Chorherr auf Facebook

Meine Tweets

    Aktuelle Beiträge

    Wenn ich mich grad irre,...
    Wenn ich mich grad irre, vergessen Sie den Kommentar...
    la-mamma - 9. Mär, 09:08
    Neue Bauordnung 2018
    In Städten, in Wien zu leben ist beliebt. Seine Bevölkerung...
    cc - 6. Apr, 12:18
    Barrierefreiheit
    Da es ja noch keine öffentlich zugänglichen Text gibt...
    martin.ladstaetter - 6. Apr, 11:20
    Word!
    Martin Schimak - 20. Nov, 12:55
    Deutschland: Ein schlichter...
    Der Anlass für diesen Blogpost ist das Scheitern der...
    cc - 20. Nov, 12:44
    Mehr Chorherrs!
    Lieber Christoph, Du engagierst Dich, übernimmst Verantwortung,...
    Andreas Kleboth - 29. Okt, 10:04
    Interconti
    Ich bin zwar kein grüner aber nun fällt es mir wie...
    WolfgangS - 27. Okt, 15:44
    Am besten alle "unecht-grünen"...
    Am besten alle "unecht-grünen" auch noch rausschmeissen...
    Martin Schimak - 27. Okt, 13:14
    Echt-Grüne...
    fliegen nicht...
    Hans Doppel - 26. Okt, 18:35
    Wer dich kennt,
    wird dir niemals unlautere Absichten unterstellen....
    Erwin Greiner - 26. Okt, 16:00
    Ein besonders krasses...
    ... dafür wie leicht es in der heutigen Medienwelt...
    Martin Schimak - 26. Okt, 14:16
    Lieber Christoph! Vielleicht...
    Lieber Christoph! Vielleicht währe es, gerade als...
    volvox - 26. Okt, 11:21

    User Status

    Du bist nicht angemeldet.

    Feeds





    development